Morin, Jack: The erotic mind

51L+195T4mL._SY344_BO1,204,203,200_Vor fast 20 Jahren führte Jack Morin, US-amerikanischer Psychologe, Wissenschaftler und Sexualtherapeut (leider 2013 verstorben) eine empirische Studie unter dem Titel „Sexual Excitement Survey“ (SES) durch, in der er über 300 Menschen ihre herausragenden sexuellen Erfahrungen und ihre Lieblingsfantasien aufschreiben ließ und insbesondere, was diese aus Sicht der Befragten so erregend machte.

Die inhaltsanalytische Auswertung verband der Autor mit seiner sexualtherapeutischen Praxis zu einer inspirierenden und erhellenden Landkarte zur Erkundung und zum tieferen Verständnis des Stoffs, aus dem Verlangen, Erregung und sexuelle Erfüllung gemacht sind.

Zentrale Setzung und Schlüssel ist Morins Erotikbegriff. Er bezeichnet Erotik als „das Zusammenspiel sexueller Erregung mit den Herausforderungen des Lebens und Liebens“ und damit potenziell als paradox von Natur – also nicht lieb und brav, sondern konfliktträchtig – in dieser Konfliktträchtigkeit aber nicht pathologisch!

Im Verlauf des Buches zeigt der Autor, illustriert mit ausgewählten Studienergebnissen und etlichen Fallbeispielen, welch bedeutsame Rolle Konfliktspannung, Hindernisse und Ambivalenz für starke sexuelle Erregung spielen können und welch intensive Gefühlswechsel ihr häufig zu Grunde liegen. Mit diesen Kategorien im Blick steuert Morin in seinen Analysen direkt auf das „erotische Kernthema“ zu. Ähnlich wie John Moneys Lovemaps (aber weniger pathologisierend!) bezeichnet dieses das Herzstück der individuellen Erotik, ein simples, aber tief bedeutsames dramatisches Konzept, das sich in Varianten erregender Erfahrungen und Fantasien wiederholt entfaltet. Sein eigenes Kernthema zu erkennen, kann nach Morin – ganz im humanistischen Sinn – der Integration von Erfahrung zu persönlichem Wachstum und zu erfüllterer Erotik dienen. Im Kapitel „when turn-ons turn against you“ befasst er sich mit der Frage, wie mit problematischen erotischen Schemata umgegangen werden kann. Es folgt ein etwas schwächerer Teil über die Kompetenzen erotischer Langzeitpaare.

Ich empfehle das Buch wärmstens, sowohl für Sexualtherapeuten als auch für Klienten, die in den zahlreichen Originalgeschichten der Studienteilnehmer und der einfach-illustrativen angelsächsischen Schreibe ohne Mühe an die eigenen Themen anschließen können dürften. Bei aller Anschaulichkeit kommt das Buch nur an ausgewählten Stellen amerikanisch-simplistisch daher. Strenge Theoretiker wünschen sich womöglich etwas mehr Huldigung der unübersehbaren gedanklichen Wegbereiter Freud und Stoller.
Bitte auf Englisch lesen, die deutsche Übersetzung hinkt, lahmt und verflacht dieses starke Werk!