Sexuelle Gewalt – Falsche Heilige

04.12.2017

Der Fall James Levine zeigt: Sexuelle Gewalt tritt dort auf, wo sakrosankte Menschen in unangreifbaren Institutionen herrschen. Es ist an der Zeit, schmerzhafte Fragen zu stellen.

Auch bei James Levine ahnten es viele – wissen wollte es keiner. Das funktionierte beim gottgleich gesetzten Priester der heiligen Kirche wie beim kultisch verehrten Moderator der BBC – so, wie es bis jetzt bei Levine, the divine, funktioniert hat. Einen Mann wie Levine habe man nicht einfach zurückweisen können, hat der Junge von damals erzählt – es ist die Erzählung so vieler Opfer. So, wie man in der Kirche, der Odenwaldschule oder der BBC zwar tuschelte, aber nicht nachfragte, geschah das auch bei Levine; das wegschauende Halbwissen unterscheidet sich in den jeweiligen Milieus nur unwesentlich. Selbst die Abwehrreaktionen sind vergleichbar: Wenn Betroffene sich endlich trauen, den Mund aufzumachen, gilt es, die Kirche, die Reformpädagogik oder den freien, wilden Künstler gegen die Spießer zu verteidigen.

http://www.sueddeutsche.de/kultur/sexuelle-gewalt-falsche-heilige-1.3777196