Die heutige Schule benötigt einen postmodernen Sexualunterricht

[Robert Mosell]

Thesen:

• In der Postmoderne verschieben sich sowohl Lernen allgemein als auch Sexualität hin zu Identitäts- und Beziehungslernen.

• Im schulischen Themenbereich „Sexualität und Beziehung“ geht es in der pluralen, postmodernen Gesellschaft nicht mehr um Anatomie und Zugang zu sexuellem Wissen, sondern um Fragen von Persönlichkeit, Erfahrung, den Umgang mit sexuellem Wissen und (auch virtuellen) Angeboten, individuellen und kollektiven Bedeutungsgebungen und damit um Identität(sentwicklung). Die politisch diskutierte Gender-Definition ist davon nur ein Teil.

• Folgende Themen besitzen Relevanz im postmodernen Sexual- und Beziehungsunterricht:
o Plurale Bedeutungs-, Sinn- und Bewertungsangebote zu Sexualität, Erotik, Partnerschaft, gender Identität, sexuellen Profilen, Beziehungsgestaltung, Verhandlungsethik, Partnerschaft und Liebesbeziehung, Selbstvalidierung vs. Fremdvalidierung.
o Umgang mit der medialen Allgegenwart und dem virtuellen Charakter von Pornographie
o Zusammenhänge zwischen sexuellen Erzählungen/Inszenierungen und
a) kollektiv: Gesellschaftypen (normierten sexuellen Gruppenvorstellungen),
b) individuell: love-maps (sexualisierten biographischen Themen)

• Ziel ist Vermittlung zumindest von Toleranz, besser noch: das Einüben von Akzeptanz anderer Bedeutungsgebungen als potenziell bereichernd. Ethische Grenzen bieten die Grundrechte.
• Ziel ist dabei auch, Jugendlichen im geschützten Raum Angebote zur Verfügung zu stellen für den Zugang zu den aktuell eigenen Vorstellungen, Erfahrungen, Bedürfnissen im Bereich Part-nerschaft und Sexualität. Die Selbstreflexion muss ohne jeglichen Zwang zum Selbstbekenntnis geschehen. Diesen Rahmen muss die begleitende Pädagog/in aktiv sichern und in der Notengebung berücksichtigen.

• Angemessene Einbindung von Eltern als Ressource für die pädagogische Arbeit zu obigen The-men und v.a. Verdeutlichung der systemisch-pädagogischen Haltung: Anerkennung individueller Autonomie, personale und kulturelle Wertschätzung, genuines Interesse und unerschrockenes Respektieren, Sicherung von Integrität, persönliche Präsenz und Selbstvalidierung.

• Pädagogen im Feld „Sexualität und Partnerschaft“ sollten über eine grundlegende Weiterbildung im Bereich „postmoderne Beziehungsgestaltung und Sexualität“ mit fächerübergreifenden Aspekten insb. aus (Sexual)Psychologie, Soziologie, Biologie und Ethik verfügen.

Dr. Robert Mosell arbeitet seit 15 Jahren als Lehrer an verschiedenen Schultypen. Er ist systemischer Therapeut und Berater (SG), systemischer Pädagoge (DGsP), Schulberater und -mediator sowie Bühnencoach und Supervisor. Er leitet das Institut für systemische Pädagogik in Darmstadt (www.systemische-paedagogik.de).
Veröffentlichungen u.a.: Mosell, Robert: 45 populäre Mythen des Schulalltags. Auf dem Weg zu einer neuen Gelas-senheit im Lehrberuf. Beltz 2014.; Hock & Hock & Mosell: Coaching als Führungsinstrument der Schulleitung. Carl Link 2014.

[Peter Walzberg]

Grundsätzlich stimme ich zu, doch das ist nur die Zweitbeste Möglichkeit. Erziehung findet, oder sollte bei den Eltern stattfinden, Zuhause. Pädagogen können die Thematik verbessern, korrigieren, ergänzen oder erweitern. Richtig finde ich das ein Unterricht mit aktuellen Werten in der zwischenmenschlichen Beziehung vorgelebt, gelebt und weitergegeben wird. Ich erlebe sehr oft eine Überforderung der Eltern – also: Eltern auf die Schulbank in Sexualität und Partnerschaft.

[Autor]

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